Kapitel 6 – „Tod auf dem Schafott“

Kapitel 6 – „Tod auf dem Schafott“

Das Beil des Henkers schnellte hinab und verfehlte den Hals des Bürgermeisters nur um Haaresbreite. Mit der Schneide im Richtblock ragte der Stiel des Beiles in den Himmel und die Bürger auf dem Marktplatz atmeten erleichtert auf. Ein faustgroßer Stein polterte, kreisend auf dem Schafott, während der Henker zusammenbrach. Der Lageroffizier blickte hasserfüllt in die Menge und schrie:

(Lageroffizier Ingram) „Das darf doch alles nicht wahr sein! Wer wagt es sich?“

In der sich wieder beruhigenden Menge vor dem Schafott stand ein Mann mit einem gelbbraunen Leinenhemd und einer dunkelbraunen, knielangen Hose. Sein Gesicht war verdeckt von einem tiefsitzenden, schwarzen Hut.

(Mann) „Mahlzeit!“,

sagte er und schob den Hut mit seiner linken Hand die Stirn hoch. In seiner rechten Hand fing er immer wieder einen Stein auf, den er provokant einige Male Schulterhoch warf. Der ganze Marktplatz wollte sein Gesicht erhaschen. Die Bürger begannen zu tuscheln und wichen von seiner Seite. Ein Bandit erkannte den Mann und brüllte:


(Bandit) „Boss, das ist der Kerl! Er und sein Freund haben uns gestern lang gemacht!“

Es war Gottwin der sich schon früh am Morgen einen geeigneten Platz vor dem Schafott gesucht hatte.

(Gottwin) „Heute, wird der Bürgermeister nicht hingerichtet!“

Die grimmigen Mienen des Lageroffiziers und seiner Gefolgschaft erblickten ihn. Seit gestern war die Geschichte von Gottwin und Witold in allen Ohren. Ihre Tat hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet und wurde von den fantasievollen Bürgern ausgeschmückt. Teilweise hieß es sogar „7 Banditen auf einen Streich mit der Linken“. Denn ein ehrenvoller Kämpfer des Königreiches Sonnwinn hatte sich in Treva die letzten 20 Jahre nicht blicken lassen. Hoffnung erfüllte die Herzen auf dem Pflaster. Doch die Frage die sich jeder stellte „Wie wolle er alleine die ganze Stadt retten?“. Thomas sprach Gottwin von weiten seinen Dank aus:

(Thomas) „Danke, der Bürgermeister darf nicht sterben, nicht so!“

Das Oberhaupt befahl allen Banditen die hinter dem Schafott standen, die Sicherungslinie zu verstärken. Der Lageroffizier zog sein Langschwert und zeigte mit der im Lichte blitzenden Klinge auf Astrid und Hella.

(Lageroffizier Ingram) „Was jetzt? Willst du uns mit deinem zweiten Stein aufhalten? Die beiden widerlichen Weiber gehören bestimmt zu dir!“

Blickend auf das Oberhaupt der Banditen fügte er hinzu:

(Lageroffizier Ingram) „Los töte sie und den Bürgermeister!“

Alle Banditen der Stadt hatten sich mittlerweile in die Sicherungslinie mit eingereiht und es schien aussichtslos für Gottwin. Das Oberhaupt der Banditen bestätigte dem Lageroffizier seinen Befehl. Danach rannte er mit seiner Axt vor sich schwingend auf Hella, Astrid und den Bürgermeister zu. Die drei schienen dem Angriff ausgeliefert zu sein, doch auf Gottwins Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab. Von hoch oben, schoss ein Pfeil durch die Luft nieder. Vor Schmerzen brach das Oberhaupt den Angriff ab und senkte seinen Blick. Das Ende eines Pfeils ragte aus seiner Brust. Ein zweiter und dritter folgten schnell und durchbohrten seinen Oberkörper. Blut tropfte von den Pfeilspitzen, die aus seinem Rücken ausgetreten waren. Die Banditen vor dem Schafott drehten sich um, als sie das Geräusch seiner auf die Bretter schlagenden Axt hörten. Hoch oben über den Bürgern, auf der Spitze eines westlichen Daches stand Nandrad über ihren Köpfen. Gottwin rief laut zu Astrid und Hella:

(Gottwin) „Und jetzt schnell, schnappt euch den Bürgermeister! Achtung Steinschlag!“

Gottwin warf den Stein in seiner Hand auf den Lageroffizier, während Hella und Astrid den gefesselten Bürgermeister vom Richtblock hoben. Die Bürger fieberten mit Gottwin und den anderen mit. Heimliche Anfeuerungspfiffe konnte man auf dem Marktplatz vernehmen. Der Lageroffizier wehrte jedoch den anfliegenden Stein mit seinem Schwert ab und sagte:

(Lageroffizier Ingram) „Los, 10 Mann sofort an eine Armbrust und jagt den Typen auf dem Dach! Du kümmerst dich jetzt um die drei!“

10 Banditen ergriffen Köcher und Armbrüste, aus einem Planwagen hinter dem Schafott. Die Rechte Hand des Lageroffiziers wendete sich Astrid, Hella und dem Bürgermeister zu. Gottwin schrie über den ganzen Marktplatz:


(Gottwin) „Hört mir zu Bürger Trevas, ihr alle müsst Kämpfen um frei zu sein! 
Wir sind hier um den Bürgermeister und euch zu retten. Aber alleine ist das unmöglich. Macht eure Augen endlich auf, es ist noch nicht alles verloren! “

Den Bürgern gingen die Worte Gottwins unter die Haut. Dennoch entschloss sich niemand für den Widerstand und die Freiheit zu kämpfen. Nandrads Pfeile durchbohrten mehrere Banditen, die über die Treppe hoch auf das Schafott zu Astrid und Hella stürmen wollten. Doch plötzlich stand er selbst unter Beschuss. Die Schüsse der Armbrustschützen flogen wie ein Schwarm Schwalben auf ihn zu. Mit einem Hechtsprung suchte er Deckung hinter der Dachspitze. Ein Pfeil nach dem anderen schlug ins Holzdach ein und Nandrad und die Armbrustschützen leisteten sich einen dramatischen Distanzkampf. Hella und Astrid hatten es mit dem Bürgermeister auf ihren Armen bis zur Treppe geschafft. Da überkam Astrid ein blitzartiger Schmerz und ihr Körper fiel in sich zusammen. Ihre Wirbelsäule und das Rückenmark wurden von einer dicken Stahlkugel an einer kurzen Kette zertrümmert. Die Rechte Hand von Ingram hatte die Fessel mit voller Wucht auf sie geschleudert. Astrid kippte seitlich auf das Schafott und ihr schmerzverzerrtes Gesicht schielte in die Menge. Hella die nicht darauf gefasst war, den Bürgermeister allein zu tragen, verlor das Gleichgewicht auf der obersten Stufe und stürzte mit dem alten Greis in den Händen die Treppe hinunter. Durch den turbulenten Sturz verloren sie von Schrammen und Blutergüssen überseht ihr Bewusstsein und blieben unten an der Treppe regungslos liegen. Gottwin war außer sich. Er hatte nicht damit gerechnet und voller Wut schrie er:

(Gottwin) „Witold, hol sie sofort da raus!“

Ein komischer Mann mit dunklem Haar und einem roten Bart stand in der Nähe der Treppe in der Menge. Er riss sich einen falschen Vollbart, bestehend aus Fuchshaar, aus seinem Gesicht und trank eine Phiole mit dem Elixier des Wolfes. Diese kombinierte er mit einem großen Schluck Saft aus seiner Trinkflasche.

(Witold) „Scheiße, hat der Fuchs nach Pisse gerochen! Lasst die Frauen und den Bürgermeister in Ruhe!“

Die Banditen die sich Hella und dem Bürgermeister widmeten wollten, drehten sich zu ihm um. Er schritt auf die Stelle der Sicherungslinie zu, hinter der sich die Treppe befand und streifte seine Quarzsandhandschuhe über. Die Banditen lachten, mit den Knüppeln schlagend in ihre Hände. Ein Bürger neben Witold fragte ihn erstaunt:

(Bürger) „Was hast du vor und wieso riecht hier alles nach Urin?“

Witold, der fixiert auf die Linie der Banditen zu ging, antwortete ihm trocken:

(Witold) „Ich rette jetzt eurem Bürgermeister den Arsch! Scheiße, halt´s Maul!“

Witold ging sofort in den Nahkampf und seine Fäuste schlugen so schnell zu das die Banditen es schwer hatten überhaupt zu reagieren. Schnell hatte er sich zu Hella und dem Bürgermeister durchgekämpft. Er wollte gerade die Treppe hinauf schreiten, da sah er wie die Rechte Hand von Ingram, ihn von oben hinab anschaute. Er stand mit einem Fuß auf Astrids Rücken, während er mit seiner Stahlkugel an der Meter langen Kette über seinem Kopf wirbelte.

(Rechte Hand) „Weißt du was Kleiner, du bist zu spät!“,

sagte er und schleuderte die Fessel nach unten. Witold hörte nur ein lautes Knacken. Die Bürger verstummten, nur Gottwin schrie, wie von Schmerzen gequält und zwängte sich durch die Menschen Richtung Witold:

(Gottwin) „Du mieses Schwein!“

Nandrad, der immer noch unter Beschuss stand, hob seinen Kopf und schaute auf das Schafott. Er sah wie die Rechte Hand des Lageroffiziers mit einem Bein auf Astrid kniete. Die Kette in seiner Hand führte zu ihrem Kopf. Doch dort lag nur die Stahlkugel in einer Lache aus Blut, Knochen und Gehirn. Nandrads ganzer Körper begann zu zittern, tränen liefen durch sein Gesicht. Er stellte sich auf die Spitze vom Dach und fiel auf die Knie. Am Boden zerstört, blickte er auf Astrid. Ein Pfeil einer Armbrust, streifte links an seinem Kopf vorbei und Blut tropfte über seine Schulter auf das Dach. Er reagierte nicht auf die Pfeile der Armbrustschützen, die dicht an ihm vorbeiflogen. Tief in Trauer versunken, schien er die Fassung verloren zu haben. Die Köpfe der Bürger waren alle zu ihm gedreht. Viele streckten ihre Arme mit dem Finger zeigend auf ihn aus. Der Anblick reflektierte das Leid, was den Bürgern viele Jahre widerfahren war. Das Bild eines gebrochenen Mannes, der vom fliegenden Tod umgeben, regungslos kniete. Gottwin der stehen geblieben war, rief voller Sorge:

(Gottwin) „Du darfst jetzt nicht aufgeben, hörst du mich Nandrad! Wir müssen kämpfen!“,

die Worte von Gottwin rüttelten ihn wieder wach. Er zog einen Pfeil nach dem anderen aus seinem Köcher und schoss hasserfüllt auf die Armbrustschützen. Die Sehne des Langbogens reizte er so stark, dass auf dem ganzen Marktplatz ihr Peitschen zu hören war. Selbst als ihn ein Pfeil in den Bauch traf, schoss er ohne in Deckung zu gehen auch den letzten Armbrustschützen nieder. Fasziniert von Nandrad jubelte der Marktplatz, bis er auf dem Dach zusammenbrach und auf dem Rücken liegen blieb. Witold packte Hella und den Bürgermeister am Arm und versuchte sie vom Schafott weg zu schleifen. Doch die aufrückenden Banditen hinderten ihn daran.

(Witold) „Scheiße, was jetzt, ich kann nicht kämpfen und die beiden mit ziehen!“

Plötzlich wurden die Banditen vor seinen Augen, von den Bürgern auseinander geschoben. Unter Knüppelhieben, Arm in Arm öffneten sie mit Gewalt eine Gasse in der Sicherungslinie. Ein Mann und eine Frau liefen an ihm vorbei und zogen Hella und den Bürgermeister vom Schafott weg. Es war der Gastwirt und seine Frau Margret. Margret schaute ihn mit einem Lächeln im Gesicht an und sagte:

(Margret) „Kümmre dich um den Typen auf dem Schafott, wir helfen euch und bringen die beiden in Sicherheit.“

Margret und ihr Mann verschwanden mit den beiden in der Menge. Die Banditen schlugen die aufständischen Bürger wieder zurück und formierten sich.

(Bandit) „Was fällt euch ein, bringt uns den verdammten Bürgermeister zurück.“

Doch der Bürgermeister und Hella waren wie vom Erdboden verschluckt in der Masse verschwunden. Gottwin der sich durch die Bürger zu Witold gezwängt hatte, schlug sich gemeinsam mit ihm den Weg zur Treppe vom Schafott frei. Der Lageroffizier rief voller Wut:

(Lageroffizier Ingram) „Lasst sie durch, ich werde mich persönlich um den Kämpfer aus Sonnwinn kümmern!“

Gottwin und Witold stiegen ohne zu Zögern nebeneinander die Treppe hinauf. Die Augen aller Menschen auf dem Marktplatz sahen sie an. Der Lageroffizier und seine Rechte Hand standen selbstsicher nebeneinander, mittig auf dem Schafott. Nach der letzten Stufe blieben Gottwin und Witold stehen und starrten ihr Gegenüber in die Augen. Gottwin sprach zu Witold ohne den Blick von Ingram abzuwenden:

(Gottwin) „Ich töte den Lageroffizier, du kümmerst dich um den anderen. Ich will, dass er bezahlt für das was er getan hat!“

Witold antwortete ihm nicht. Er hatte verstanden was Gottwin von ihm wollte. Sein Gegner die Rechte Hand schleuderte seine Stahlkugel im Kreis, bis er sie plötzlich los ließ und sagte:

(Rechtehand) „Was glaubt ihr kleinen Pisser eigentlich, wer ihr seid?“

Die Kugel donnerte durch die Luft genau auf Gottwins Kopf zu. Gottwin stand bewegungslos, ohne Anstalten zu machen der Fessel auszuweichen. Witold machte einen Ausfallschritt nach vorne und ergriff Zentimeter genau die Kette hinter der Kugel, so das sie vor Gottwins Gesicht abrupt stehen blieb. Witold ließ die Kette ein wenig durch seine Hand rutschen und schleuderte sie dann einem Banditen in der Sicherungslinie vor den Kopf. Die Menge war erstaunt. Witold hatte die schwere Stahlkugel einfach so abgefangen. Was noch verblüffender war, wie sehr ihm Gottwin dabei vertraut hatte.

(Witold) „Ich bin dein Gegner!“,

sagte Witold zur Rechten Hand. Danach wendete er seinen Blick auf Gottwin zu und fuhr fort:

(Witold) „Ich hoffe du hast die Lage richtig eingeschätzt! Ich muss jetzt das zweite mal mein Elixier nehmen!“

Gottwin nickte ihm überzeugt zu. Einige Bürger fingen an sie anzufeuern, während Witold seine zweite Phiole trank. Er nahm noch einen riesigen Schluck aus seiner Trinkflasche, wobei ihm der Apfelsaft nur so vom Kinn hinunter tropfte. Gottwin ballte die Fäuste und flüsterte:

(Gottwin) „Dann wollen wir mal!“

Die beiden rannten mit einem Affenzahn auf ihre Gegner zu. Der Lageroffizier und seine Rechte Hand waren überrascht von dem plötzlichen Angriff und gingen in Kampfposition. Gottwin griff im Spurt nach dem Stein, den er dem Henker vor dem Kopf geschmissen hatte und warf ihn auf den Lageroffizier. Mit einem Schwerthieb war es ihm jedoch möglich den Stein erneut abzuwehren. Allerdings hatte Gottwin seinen Angriff noch nicht beendet. Er sprang mit den Füßen voran, unter ihn auf den Boden und gab ihm einen harten Tritt in die Magengegend. Der Lageroffizier stolperte genau wie die Rechte Hand ein paar Schritte nach hinten, die eine knüppelharte Faust von Witold einstecken musste. Jeder auf dem Marktplatz egal ob Bandit oder Bürger war über ihren Angriff verwundert. „Wieso waren die 2 jungen Männer in der Lage, den stärksten Kriegern der Stadt Paroli zu bieten.“ Egal ob Mann, ob Frau, ob Kind, alle waren begeistert. Es ertönten die Stimmen vieler Bürger:

(Bürger) „Man sind die stark, wer hätte gedacht das in denen soviel Kraft steckt!“

Wir dürfen nicht das Schicksal Trevas in ihre Hände legen, wir müssen uns zu Wehr setzen!“

Wenn die beiden Jungen Burschen sich gegen die Banditen auf lehnen können, dann sollte das für uns alle doch kein Problem sein!“

Schickt eure Kinder vom Marktplatz, die Lage wird gleich richtig heiß!“

Wir müssen einfach nur kämpfen, wie der Sonnwinn Kämpfer!“

Habt ihr das gesehen? Mit einem Schlag, Wahnsinn!“

Die Bürger wurden mutiger, der Auftritt von Gottwin und Witold hatte in ihnen die Hoffnung geweckt, ein unverblümtes Leben zu führen. An der Sicherungslinie fingen die ersten damit an, die Banditen zu beschimpfen:

(Bürger) „Haut ab von hier!“

„Wir wollen euch nicht!“

Gleichgültig, das die Banditen mit ihren Knüppeln die unbewaffneten Bewohner zu Boden geschlagen hätten, ging eine Bewegung durch die Stadt. Die ersten verunsicherten Banditen brüllten.

(Banditen) „Ihr vergesst wohl, wer hier das Sagen hat!“

„Gleich habt ihr nicht nur einen Sonnenstich, sondern auch einen Knüppel im Genick!“

Gottwin und Witold standen in der Mitte des Schafotts und bemerkten die unverkennbare Euphorie unter den Menschen. Gottwin lachte Witold an, drehte sich zu dem Haus auf dem Nandrad war und rief hoch auf das Dach:

(Gottwin) „Nandrad, gib das Zeichen!“

Einige Banditen und Bürger schauten auf das Dach. Doch es war nichts von Nandrad zu sehen, denn er lag auf der anderen Seite hinter der Spitz. In Erinnerungen an Astrid versunken, war er dort liegen geblieben. Sein Körper war dermaßen geschwächt, dass er nicht mehr aufstehen konnte. Blut strömte aus seiner Bauchwunde. Er vernahm Gottwins Stimme und dachte an den Vorabend.

(Nandrad) [Das Zeichen?]

Gottwin hatte ihm bei der Planung gesagt:

(Gottwin) „Wenn die Euphorie da ist, gibst du das Zeichen!“

Nandrad griff auf dem Rücken liegend zu seinem Köcher. Der Blutverlust und die Schmerzen zerrten an ihm und er stand kurz davor sein Bewusstsein zu verlieren. Gottwin blickte immer noch auf das Dach, doch ein Lebenszeichen war nicht zu erkennen.

(Witold) „Gottwin pass auf, die beiden scheinen ganz schön sauer zu sein!“,

sagte Witold schauend auf den Lageroffizier und seine Rechte Hand, die sich für den Angriff bereit machten. Der Lageroffizier sprach zu ihnen in einem tiefen, dunklen Tonfall:

(Lageroffizier Ingram) „Ihr kommt hier her, und denkt ihr könnt Treva einfach so wieder für Sonnwinn beanspruchen?“

Die Banditen lachten hinterhältig über seine Worte. Plötzlich schoss ein Feil von dem Dach auf dem Nandrad lag in den Himmel. An ihm hing ein langer, gelber Schal der im Sonnenschein über dem Marktplatz flatterte. Gottwin und Witold hörten, wie die Banditen und Bürger auf dem Pfeil am Himmel hinwiesen und ein breites Grinsen zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab. Aus einer östlichen Gasse zwängten sich plötzlich Kinder durch die Menschen. Es waren die Kinder des Sommers. Auf dem nördlichen Teil des Marktes, knieten sie auf dem Pflaster und begannen mit angespitzten Ästen in den Fugen zu kratzen. In ihrer verwahrlosten Kleidung gaben sie sich große Mühe dabei. Als sie den ersten Pflasterstein raus hoben, waren sie überglücklich darüber. Mit dreckigen Fingernägeln streckte ein kleines Mädchen den Stein über ihren Kopf und sagte:

(Mädchen) „Darf ich dir den Stein geben?“

Ein Mann schaute auf, das kleine Mädchen was ihm mit einem netten Gesicht den Stein mühsam entgegenstreckte. Es war der Wirt der Kneipe „Platzwunde“ und er fragte:

(Wirt) „Danke, aber was soll ich mit dem Stein?“

Das Mädchen kicherte kurz und flüsterte dann:

(Mädchen) „Das weiß ich auch nicht, wir sollten euch die Steine nur übergeben und dann schnell wieder verschwinden! Hast du Mama Astrid und Mama Hella gesehen?“

Der Wirt wusste nicht was er sagen sollte, mitleidig schaute er das Mädchen an und sagte dann sanft:

(Wirt) „Jetzt aber schnell weg hier!“

Die Kinder ließen ihre Äste zurück und liefen schnurstracks zurück zu den Hütten. Der Wirt schaute auf den Stein und grinste.

(Wirt) „Leute, selbst die Kinder haben mehr Mumm als wir, reißt das Pflaster auf!“

Danach beugte er sich nach hinten und schleuderte den Stein mit voller Kraft über die Köpfe der Bürger hinweg auf einen Banditen. Die Bürger begannen das Pflaster aufzureißen und sie benutzten die Steine als Wurfgeschosse. Es war der Zeitpunkt gekommen sich zu wehren. Die ersten Steine hagelten auf die Sicherungslinie nieder. Der Lageroffizier brüllte seinen Leuten zu:

(Lageroffizier Ingram) „Weißt die Bürger in ihre Schranken, Männer!“

Die Sicherungslinie prügelte auf die Menge ein. Den Knüppeln stellten sich Steine und Fußtritte entgegen. Der Lageroffizier blickte fluchend auf Gottwin:

(Lageroffizier Ingram) „Euch beiden haben wir das alles zu verdanken! Ihr wisst gar nicht mit wem ihr euch da angelegt habt!“

Gottwin und Witold konnten nur lachen über die Aussage, denn natürlich wussten sie nicht welche Gegebenheiten im Königreich herrschten und sie womöglich die Büchse der Pandora mit ihrer kleinen Revolution öffneten.

(Gottwin) „Schnacken können wir später!“

(Witold) „Ich darf keine Zeit verlieren!“

Die 4 prallten aufeinander und lieferten sich ein hitziges Gefecht. Von Anfang an war der unbewaffnete Gottwin damit beschäftigt den Schwerthieben von Ingram auszuweichen. Er wich mit jedem Schritt weiter über das Schafott Richtung Richtblock aus. Witold ging sofort mit der Rechten Hand in den Nahkampf und malträtierte ihn mit harten Faustschlägen. Mehrmals versuchte die Rechte Hand ihn mit seiner Fessel zu erwischen, doch Witold war so schnell, dass er sich einfach duckte oder kurz zurück wich. Immer wieder prasselte ein donnernder Schlaghagel auf die Brustpanzerung seines Gegners. Die Quarzsandhandschuhe schlugen so heftig ein, dass sich eine Delle nach der anderen abzeichnete. In Witolds Körper tickte die Uhr, nach einer erneuten Einnahme des Elixier des Wolfes standen ihm Krämpfe in jedem Muskel seines Körpers bevor. Gottwin war bis zum Richtblock ausgewichen und er ergriff das darin steckende Beil. Doch als er den Schwerthieb damit abwehren wollte, schnitt die Klinge wie Butter durch den Stiel des Beiles.

(Gottwin) „Noch so eine Aktion und ich bin Zwiebelbraten! Ich brauche ein Schild!“

Als er noch einen Ausfallschritt nach hinten machte, stieß er mit seinem Knöchel gegen die Axt des Oberhauptes. Mit ihr in seiner Hand war es ihm möglich die Schwerthiebe zu parieren. Der aufeinander treffende Stahl explodierte über den Marktplatz. Der Kampf zwischen ihnen war einseitig, Gottwin gelang es jedoch die schnellen, kraftvollen Schläge abzuwehren. Die Bürger setzten sich gegen die prügelnden Banditen zu Wehr, die Machtdemonstration war umgeschlagen in einen brutalen Bürgerkrieg. Tritte, Fäuste und Steine reichten aber nicht aus. Die Menschen rannten in die Geschäfte um den Marktplatz herum und ergriffen alles was nicht niet und nagelfest war. Sie nutzten jeden erdenklichen Gegenstand als Waffe oder Wurfgeschoss. Ein aufgebrachter Bürger kam mit einem großen Porträt aus einem Laden gestürmt und sagte:

(Bürger) „Macht platz! Ich knall den Banditen den dicken Holzrahmen vorm Kopf!“

Er stürmte durch die Masse nach vorne an die Kampflinie. Plötzlich rief ein anderer:

(Bürger) „Nicht doch, das ist das Bild von meinem geliebten Großvater!“

Das Porträt flog im hohen Bogen auf die Banditen und der Werfer rief:

(Bürger) „Stell dich nicht so an, der Alte ist hässlicher als Nixgegessen!“

Der Widerstand gegen die Banditen wuchs immer weiter an. Die ganze Stadt wehrte sich tapfer. Frauen wie Männer kämpften Schweiß getränkt in der heißen Sonne um ihre Freiheit. Auf dem Schafott schlug plötzlich die gewichtige Eisenkugel der Fessel auf die Bretter. Der Gegner von Witold war am Ende, zu viele Schläge hatte sein Brustkorb einstecken müssen. Gebrochene Rippen und Prellungen schnürten ihm die Luft ab. Mit dem letzten Hieb beförderte Witold die Rechte Hand vom Schafott hinunter auf das Pflaster, wo er regungslos liegen blieb. Der Lageroffizier schnellte von Gottwin zurück und brüllte:

(Lageroffizier Ingram) „Was? Du dickes Schwein warte ab!“

Mit seinem gepanzerten Körper und dem Langschwert ging er auf Witold los. Bewegungslos und ungeachtet dessen stand Witold immer noch mit dem Rücken zu Gottwin und dem Lageroffizier. Er schien völlig geistesabwesend zu sein, wie eingefroren.

(Gottwin) „Witold schnell dreh dich um!“

Keine Reaktion folgte, während der Lageroffizier mit seinem Langschwert ausholte. Selbst hätte Gottwin die Axt geworfen, wäre die Klinge nicht mehr aufzuhalten gewesen. Ob es Schicksal oder Zufall war, das Witold bevor die Klinge sein Leben beenden konnte zusammenbrach und so nicht durch das Schwert gerichtet wurde, weiß niemand. Gottwins Gesicht strahlte jedoch vor Erleichterung, als er Witold zu Boden fallen sah. Denn er hatte ihn überredet mit ihm in die Welt aufzubrechen. Der Lageroffizier schaute verwirrt auf seine Rechte Hand und Witold. Wieso geriet alles dermaßen aus den Fugen. Das Geschrei der aufständischen Bürger dröhnte in seinem Kopf und er drehte sich Gottwin zu.

(Gottwin) „Wir beide bringen jetzt unseren Kampf zu Ende!“,

sagte Gottwin mit der Axt in seiner Rechten. Unterhalb des Schafotts wurden die Banditen immer weiter zurückgedrängt. Viele von ihnen gingen zu Boden. Die Bürger erlitten weniger Verluste, denn sie standen tapfer für einander ein. Verletzte wurden gepackt und in Sicherheit gebracht. Endlich war es soweit gekommen. Zwanzig Jahre nach dem Krieg rang Treva um die Zwanglosigkeit. Der Lageroffizier Ingram war stinksauer und brummte vor sich hin:

(Lageroffizier Ingram) „Diese ganze, verdammte Scheiße haben wir dir zu verdanken!“

Er und Gottwin lieferten sich einen harten Kampf auf dem Schafott. Wobei Gottwin unterlegen war, mit schnellem Ducken, Sprüngen und der Axt war es ihm nur möglich der Klinge des Schwertes zu entgehen. Treva brach die Moral der Banditen und zerbrach die Sicherungslinie an vielen Stellen. Südlich vom Marktplatz flüchteten die ersten Banditen, voller Angst vor der rebellierenden Stadt. Der Triumph war zum Greifen nahe und einige auf dem Marktplatz schrien auf:

(Bürger) „Jagt das Pack durch die Straßen!“

Heute werden wir frei sein!“

Gleich haben wir es geschafft, es sind nur noch wenige!“

Die letzten Rotten an Banditen überkam die Angst und entweder ergriffen sie die Flucht oder gingen gnadenlos unter. Die Bürger stellten sich mutig vor dem Schafott auf und vereinzelt flogen Gegenstände in die Richtung des Lageroffiziers.

(Bürger) „Lass den Jungen in Ruhe!“,

schrie ein aufgebrachter Mann, während er mit vielen anderen über die Treppe das Schafott stürmte.

(Bürger) „Gib auf, Treva ist frei!“

Der Lageroffizier, der vor Gottwin stand war umstellt. Die Bürger blieben oben auf dem Schafott in der Nähe der Treppe stehen und hielten Abstand. Zu groß war die Furcht dem Lageroffizier Ingram zu nahezutreten. Er spürte den Unmut während er sich umsah und einschüchternd sagte er:

(Lageroffizier Ingram) „Denkt ihr wirklich ihr seid jetzt frei? Es wird nicht lange dauern und das Regime wird euch mit voller Härte bestrafen! Verneigt euch vor mir und legt eure Waffen nieder!“

Gottwin witterte die Chance, denn Ingram hatte ihn außer Acht gelassen und schlug ihm die Axt in die linke Hüfte. Blut spritze aus der breiten Wund über Axt und Schafott. Die Bürger jubelten, niemand hatte vor ihren Augen jemals einen Offizier verwundet. Doch Gottwin schaffte es mit all seiner Kraft nicht die Axt aus dem Körper zuziehen. Er ließ von ihr ab und machte verdattert einen Schritt zurück. Der Lageroffizier rammte sein Schwert in den Bretterboden und stütze sich mit beiden Armen darauf ab.

(Lageroffizier Ingram) „Denkt ihr ein Schlag mit der Axt reicht aus?“,

rief er, der Menge zu. Gleichzeitig zog er sich mit seiner linken Hand die Axt aus seiner Hüfte und schmiss sie mit voller Wucht durch den Bretterboden. Das Geräusch der zerberstenden Bretter, ließ die Stadt verstummen. Mit seiner Rechten erhob er sein Schwert und stach Gottwin mit einer schnellen, überraschenden Bewegung in die linke Schulter.

(Lageroffizier Ingram) „Hast du wirklich gedacht du könntest mich besiegen?“

Gottwin biss sich vor Schmerzen auf die Zähne. Mehrere Männer riefen plötzlich:

(Gastwirt) „Wir müssen dem Jungen helfen!“

(Thomas) „Schmeißt alles was ihr habt auf den Offizier!“

(Schmied) „Das machen wir, hätte ich ihm mal das Schild verkauft!“

Alle Bürger holten aus zum Wurf und ein Regen aus Gegenständen prasselte auf den Lageroffizier nieder. Überall um ihn herum schlugen Steine, Knüppel und andere Gegenstände abgefälscht von seiner Panzerung auf die Bretter. Die Würfe der Bürger hatten ihn nur hartnäckig in die Knie gehen lassen. Sein rechter Arm war immer noch ausgestreckt mit dem Schwert in Gottwins Schulter. Und mit gesenkten Kopf sagte er:

(Lageroffizier Ingram) „Und jetzt? Ihr habt mich unterschätzt!“

Alle starrten fassungslos auf ihn. Er schien ein Monster zu sein, kein Mensch hätte so einen Hagel an Wurfgeschosse überleben können. Gottwin fiel vor Schmerzen auf die Knie und flüsterte:

(Gottwin) „Ich hab Sonnwinn nicht verlassen, um mich in der ersten Stadt besiegen zu lassen! Ich gebe nicht auf, niemals!“

Der Lageroffizier hob seinen Kopf und blickte ihm in die Augen. Gottwin packte die Klinge mit seiner rechten Hand und zog die Spitze des Schwertes aus seiner Schulter. Als er sich gerade erheben wollte. Da schrie eine stattliche Frau:

(Frau) „Ich kann dir heute keinen Fisch anbieten, aber dafür eine Fessel!!!“

Ein lauter knall brach über den Marktplatz. Die Bürger waren wie paralysiert. In den Rücken des Lageroffiziers war die schwere Stahlkugel eingeschlagen, die ihn ohnmächtig zusammenbrechen ließ. Keiner konnte fassen was geschehen war, nur ein Mann schrie lauthals:

(Mann) „Und ich dachte immer, du kannst nur mit dem Wels wedeln!“

Kapitel 7 – Singen, Tanzen, Trinken

6 Gedanken zu “Kapitel 6 – „Tod auf dem Schafott“”

  1. Gott sei dank ist das 6. Kapitel nicht draußen, seit der Hälfte vom Ersten drückt mie die Blase. #lol# tolle Geschichte!!!!!!!!!!!!!!!!! 😉 ;-*

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  2. Woooaaahhhh!!!

    Astrid ist tot … ! Nach dem letzten Kapitel hatte ich Hella und sie voll lieb gewonnen. Ich konnte mir richtig vorstellen wie Nandrad trauerte…leider! Aber die Sommerkinder wissen ja noch nichts davon das wird ein Geheule geben 😉

    Endlich liegt auch dieser Ingram und natürlich hab ich mich wieder vorm Pc ein/zweimal weggehauen. Bei Großvater…, Schnacken.., Fuchsbart war der beste Witz 🙂
    Hoffentlich hab ich nix vergessen!

    Eine Woche wieder warten… Ich hoffe Nandrad reist mit Gottwin!

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  3. Raubritter85 sagte:

    Also falls es mal Gottwin Actionfiguren gibt hol ich mir als erstes Langeroffizier Ingram 😀 War wieder ein unterhaltsames Kapitel! Freu mich auf „Singen, Tanzen, Trinken“. P.S.: Wo ist nun eigentlich der Kommandobeutel“ 😀

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  4. Daumen hoch ! Und wieder ne Woche warten … 😦

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  5. Gutes Kapitel, freue ich mich auf nächste Woche =)

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